
Sie sind mit über 400'000 beschriebenen Käferarten die artenreichste Tierordnung auf unserem Planeten. Fast 30 Prozent aller beschriebenen Tierarten sind Käfer. In Mitteleuropa leben rund siebentausend verschiedene Käferarten. Aufgrund dieses riesigen Experimentierfeldes haben sich Käfer mit den unterschiedlichsten Ausprägungen entwickelt. Einer, den wohl beinahe jeder kennt, auch wenn man ihn heutzutage nicht mehr allzu oft antrifft, ist der Hirschkäfer (Lucanus Cervus, von lateinisch lucanus "Waldbewohner" und cervus "Hirsch").
Lebenraum
Wie der Name bereits verrät, finden wir den Hirschkäfer häufig in Wäldern, bevorzugt in Eichenwäldern, in denen sie sich aufgrund der höheren Temperaturen durch die einfallende Sonnenstrahlung gerne aufhalten. Da solche Lebensräume in den letzten Jahren jedoch rarer wurden, trifft man den Käfer heute vermehrt auch in urbanen Gebieten an, in die er sich zur Nahrungssuche oder auf der Suche nach einem Partner für die Paarung begibt.
In der Schweiz findet man den Hirschkäfer am häufigsten südlich der Alpen, wo er sich aufgrund der wärmeren Temperaturen wohler fühlt. Er ist jedoch auch im Mittelland und in sonnigen Tälern in Graubünden vereinzelt anzutreffen.
Merkmale
Hirschkäfer sind wohl hauptsächlich durch ihre auffälligen "Geweihe" bekannt, die jedoch nur bei Männchen vorkommen und obendrein auch gar keine Geweihe, sondern stark vergrösserte Oberkiefer (Mandibeln) sind. Inklusive dieser Mandibeln können männliche Hirschkäfer bis zu 8 Zentimeter gross werden, wobei auch kleinere Exemplare bis hin zu nur knapp 3 Zentimetern vorkommen. Die Weibchen sind entsprechend kleiner, da sie keine derartigen Oberkiefer vorweisen und werden bis zu etwa 5 Zentimetern gross. Auffällig ist bei beiden Geschlechtern auch der gelbe "Pinsel", der sich zwischen ihren Mandibeln finden lässt. Dieser dient dem Hirschkäfer für die Nahrungsaufnahme.
Ernährung
Hat ein Hirschkäfer Hunger fliegt er einen Baum an, der im Optimalfall bereits eine Verletzung in der Rinde aufweist, durch die der zuckerreiche Baumsaft austritt. Weibchen sind in der Lage, einen solchen Riss selbst mit ihren Kiefern in den Baum hineinzuritzen. Den Männchen ist das aufgrund ihrer überdimensional grossen Oberkiefer nicht möglich und sie sind so entweder auf die Vorarbeit eines Weibchens oder einer andersartigen Verletzung eines Baumes angewiesen. Die beliebteste Nahrungsquelle von Hirschkäfern ist, entsprechend ihrem Lebensraum, der Saft von Eichen, doch sie können bei Futterknappheit auch auf andere Bäume oder gar Früchte wie beispielsweise Kirschen ausweichen.
Erwischt ein Hirschkäfer einen Baum, bei dem der Zucker im austretenden Saft durch Bakterien bereits soweit zersetzt wurde, dass er Alkohol enthält, kann es vorkommen, dass der Hirschkäfer nach dessen Genuss betrunken durch den Wald fliegt und man es ihm entsprechend auch ansieht.
Fortpflanzung
Hirschkäfer verbringen in ihrem Leben nur wenige Wochen als dieses imposante, herumfliegende Insekt, als das wir es weitläufig kennen. Den weitaus grösseren Teil seines Lebens, nämlich 3-8 Jahre verbringt er als Larve unter der Erde.
Hirschkäferweibchen locken Männchen mit Sexualduftstoffen (Pheromonen) an, wobei diese sich mit ihren langen Mandibeln bekämpfen und versuchen, den Gegner auf den Rücken zu drehen oder ihn von einem Ast herunterzuwerfen. Das siegreiche Männchen erhält die Möglichkeit sich mit dem Weibchen zu paaren. Auch für diesen Akt, der mitunter mehrere Tage dauern kann, gebrauchen die Männchen ihr "Geweih", um die Weibchen für diese lange Prozedur in Position zu halten.
Nach dem Geschlechtsakt legen die Weibchen bis zu 20 Eier tief in den Boden, häufig an die Wurzeln von toten oder kranken Bäumen. Deshalb findet man diese häufig bei stehen gelassenen Baumstrünken, von deren durch Pilzbefall zerfressenem Totholz sich die Larven nach dem Schlüpfen in den nächsten Jahren ernähren. Die an einen Engerling erinnernde Larve kann dabei bis zu 11 Zentimeter gross werden, was eine Handfläche gut bedecken würde.
Gefährdung
Der Hirschkäfer wurde aufgrund der zunehmenden Forstwirtschaft und der damit zusammenhängenden Abnahme der Lebensräume für seine Nachkommen (fehlendes Totholz) im letzten Jahrhundert stark dezimiert. Mitunter deshalb wurde er 2012 in Deutschland zum Insekt des Jahres gewählt, um auf das drohende Aussterben dieses imposanten Käfers in Europa hinzuweisen. In den letzten Jahren scheinen sich die Bestände etwas zu erholen. Wohl auch, weil die durch den Klimawandel ansteigenden Temperaturen dem Hirschkäfer entgegenkommen.